Restaurierung einer fast zerfallenen Mühle
Zwischen Weihnachten und Sylvester 2005 wurde die 16. Mühle für das Museum angeliefert. Da es an diesem Morgen etwas geschneit hatte, war allein das Abladen schon interessant. Der LKW konnte die leicht abschüssige Einfahrt zur Scheune nicht befahren. Also wurde die Palette mit der ca. 600 kg schweren Mühle am Bordstein abgesetzt und musste mit dem Handhubwagen über das verschneite Pflaster bis in die 30 Meter entfernte Scheune geschoben werden!
Beim ersten Betrachten war die Freude über diese stattliche Mühle noch sehr groß. Als aber die äußere Schicht aus Staub und Dreck entfernt worden war, mussten wir feststellen, dass die Holzwürmer und die Feuchtigkeit ganze Arbeit geleistet hatten!
Besonders ausgeprägt waren die Zerstörungen an Rüttelschuh, Bütte und Wanne. Kaum ein Holzteil war unbeschädigt, vielfach waren die Verbindungen ausgebrochen oder die Wandung des Holzes an sich so angegriffen und wurmstichig, dass es einer Belastung nicht standhalten würde.
Nach Abschätzung der Möglichkeiten entschieden wir uns, alle diese Teile 1:1 nach den Originalen neu anzufertigen. Zum Glück waren alle Holzteile noch vollzählig vorhanden. Sie wurden vorsichtig demontiert und von jedem Einzelteil wurde eine Schablone angefertigt.
Aus neuem Holz wurden dann die Teile angefertigt und zusammengesetzt. Das Ergebnis sieht man auf dem nächsten Bild.
Auf dieselbe Art und Weise wurden eine Hälfte der Bütte, der Trichter und Teile der Mehlpfeife neu angefertigt. Mit diesen Teilen vervollständigt sah die Maschine dann wieder nach einer Mühle aus.
Über das genaue Alter haben wir bis jetzt noch keine verlässlichen Aussagen. Wir schätzen, dass das Gerät aus den 30er Jahren stammt.
Nun wurden alle Stahl- und Gussteile gereinigt, entrostet und wieder gängig gemacht. Ein neuer Anstrich verlieh den Teilen ein einheitliches Aussehen.
Leider hatte die Mühle wohl einige Zeit Feuchtigkeit abbekommen. Das mögen insbesondere sogenannte „Kunstmühlsteine“ gar nicht! Diese bestehen im Gegensatz zu Natursteinen aus einem Materialmix, der bei Einwirkung von Feuchtigkeit in seiner chemische Verbindung reißt.
Es wäre zu gefährlich, diesen Stein mit ca. 100 Umdrehungen laufen zu lassen! Die dabei auftretenden enormen Fliehkräfte könnten den Stein zerbrechen lassen! Nach Rücksprache mit dem Mühlsteinbauer H. van Hees konnte ein Spender für ein gebrauchtes Paar Mühlsteine im Durchmesser von 80 cm gefunden werden. Sofort machten wir einen Termin aus, um die Steine abzuholen. Die Steine konnte man noch so eben von Hand auf den Anhänger verladen.
Da die Steine aber aus einer Mühle stammten, die den Antrieb von der Oberseite hatte, unsere Mühle aber von unten angetrieben wurde, mussten die Mühlsteine noch umgebaut werden. Ober- und Unterstein mussten umgedreht werden. Im angetriebenen Unterstein war die Welle fest eingegossen. Diese musste mühsam ausgemeißelt werden.
Da er bei uns als neuer Oberstein eingesetzt werde sollte, musste er ein bestimmtes Mindestgewicht mitbringen. Ansonsten würde der Stein nur über das Getreide rollen, anstatt es zu zermahlen. Das Gewicht konnte nur durch das Auftragen von zusätzlichem Material erhöht werden. Also machte ich mich auf die Suche nach der Rezeptur der künstlichen Mühlsteine. Dies war allerdings gar nicht so einfach, da die Mühlsteinbauer die Zusammensetzung wie ein Geheimnis behandeln. Aber in einem alten Müllereibuch von 1936 fand ich die Bestandteile. Von diesen besorgte ich mir einige Kilogramm und machte erste Versuche. Das Zeug wird wirklich knüppelhart!
Nun konnte ich den Stein einschalen und mit dem angemischten Mörtel ca. 12 cm an zusätzlicher Steinstärke auftragen. Gleichzeitig habe ich vier Behältnisse zur Aufnahme von Balanciergewichten an der Oberseite eingesetzt.
Da der Mühlstein vorher mit einer festen Welle angetrieben wurde, fehlten die Ausbuchtungen im Stein, um die Gelenkstücke der großen Haue einzusetzen. Diese konnten aber sehr schnell mit einem Bohrhammer eingemeißelt werden.
Die Lage der Stahlteile wurde vorher genau ausgemessen und anschließend mit Gips eingesetzt. Wie man auf dem Bild erkennen kann, waren die Steine bereits stark abgenutzt. Die „Schärfe“ musste also nachgezogen werden. Mit dem eigens zu diesem Zweck hergestellten Meißel ging das recht zügig vonstatten. Nach ca. einer Stunde waren beide Seiten nachgeschärft. Nun konnten wir mit Hilfe eines hydraulischen Hebers den neuen Unterstein in die Mühle einsetzen.
Die drei Gewindespindeln zum Ausrichten des Steins versagten ihren Dienst. Sie waren derart stark verrostet, dass zwei Stück nicht mehr zu retten waren und neu gedreht werden mussten. Nachdem die Steinlage ausgerichtet worden war, stellten wir fest, dass die vorhandene Holzbuchse zur Lagerung der Antriebswelle im Außendurchmesser zu groß war. Also musste diese noch umlaufend zwei Zentimeter abgehobelt werden. Erst dann konnte sie eingesetzt und mit dem Unterstein verkeilt werden.
Mit etwas mehr Aufwand wurde der neue Läuferstein auf die Mühle gehoben. Ohne den hydraulischen „Helfer“ wäre es nur schwer gelungen. Um ihn auszubalancieren, benötigten wir allerdings einen passenden Motor, der nicht zu schnell läuft! Dieser konnte bei den Ersatzmotoren schnell gefunden werden. Provisorisch angeklemmt und mit Riemen versehen wurde die Mühle angetrieben und der Oberstein mit Zusatzgewichten in die Horizontale gebracht. Die ersten Drehversuche gingen gut, sodass die Steine jetzt einlaufen konnten. Erst dann lagen sie überall gleichmäßig auf und brachten die volle Leistung. Damit wir später auch dauerhaft mahlen können, wurde der Motor direkt mit einer Halterung an das Gestell befestigt. Alles in allem haben wir ca. drei Jahre benötigt, um die Maschine wieder voll funktionsfähig zu machen. Die Freude über den erfolgreichen Abschluss entschädigt für die vielen Stunden der Kleinarbeit.